Einen Apfel für die Integration

Ihr fragt Euch, warum ich einen Apfel in einem Atemzug mit dem Ausdruck Integration nenne? Ganz einfach: Das schlichte Stück Obst hat ein paar Gedanken zu diesem Thema in mir ausgelöst, die ich Euch nicht vorenthalten will.

Vor einiger Zeit – es war an einem warmen Herbsttag – da schlenderte ich gemütlich durch’s Dorf und biss dabei alle paar Schritte genüsslich in einen wunderbar saftigen Apfel. Zwangsläufig kam der Moment, an dem ich einen abgenagten Apfelbutzen in der Hand hielt. Gerade kam ich an einem Haus mit einer Buchenhecke vorbei. Spontan machte ich eine Wurfbewegung in Richtung dieser Hecke.

Das mache ich nämlich grundsätzlich immer so mit Apfelbutzen, wenn ich im Freien unterwegs bin: Ich suche eine Stelle, an der das gute Stück ungesehen – und damit ohne irgendjemanden zu stören – verrotten kann.

Doch dieses Mal kam es anders:

Mitten in der Wurfbewegung zuckte ich zusammen und behielt das Kerngehäuse in der Hand. „Du kannst doch nicht einfach Deinen Apfelbutzen in diese Hecke werfen!? Hier wohnen Türken!“, schoss es mir durch den Kopf. Oh mein Gott, fast hätte ich ein kleines Stückchen Bioabfall bei einer türkischen Familie ins Gestrüpp geworfen!

Das hört sich vielleicht blöd an, aber ich bin wirklich erschrocken über mein Verhalten und bin mit dem abgenagten Apfelrest in der Hand weitergegangen, bis ich das Teil in einer freien Wiese entsorgen konnte.

Erst später fragte ich mich:

Was bitte war denn hier geschehen? Jedem hätte ich ohne nachzudenken diesen kleinen, abgenagten Rest Apfel ins Gestrüpp geworfen, wo er unbemerkt hätte verrotten können. Nirgends hätte ich gezögert: nicht beim engsten Nachbarn, nicht bei Verwandten, nicht beim Bürgermeister, nicht beim Pfarrer,….  Warum also bei einer Familie mit Migrationshintergrund?

Spontan hatte ich mein Verhalten des „Nicht-Wegwerfens“ als politisch korrekt betrachtet. Schließlich kann ich doch nicht einfach einen Apfelbutzen bei einer türkischen Familie zum Verrotten in die Hecke werfen!

Aber jetzt weiß ich es besser:

Dass ich den Apfelbutzen NICHT bei der türkischen Familie in die Hecke geworfen habe, mag offiziell korrekt gewesen sein, doch es war falsch. Das war nicht Integration, sondern Ausschluss. Ich hätte die Familie nur dann gleich behandelt wie die Einheimischen, wenn ich ihnen ohne jeglichen Gedanken und ohne jegliches Zögern den Apfelbutzen ins Gebüsch geworfen hätte – wie allen anderen auch…

Und so hätte ein abgenagter Apfel in der Hecke einer türkischen Familie das Wahrzeichen dafür werden können, dass sie voll und ganz integriert sind.

 

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