Also tatsächlich eine Kultursache?

Dies hier ist ein kleiner Nachtrag zum letzten Beitrag. Ich hatte darüber geschrieben, wie die scheinbar unbedeutende Aktion, sich ungefragt Sandelsachen anderer zu nehmen bei den unfreiwilligen Bereitstellern der Spielsachen eine Art unbewusste Abwehrhaltung  aufgebaut hatte.

Schon bei der damaligen Sandkasten-Beobachtungs-Geschichte hatte ich mich gefragt, warum ich einen Unterschied im Verhalten der türkischen und der österreichischen Kinder im Ausleihen ihrer Sachen wahrgenommen hatte. Sind nicht alle hier am selben Ort und unter den selben Bedingungen aufgewachsen? Beruhte die beobachtete Szene womöglich nur auf individuellen und nicht kulturellen Unterschieden? Mmh, immerhin schienen die betroffenen Jungs keine Geschwister zu sein, hatten also unterschiedliche familiäre Erfahrungen und zeigten in diesem Punkt doch als einzige Anwesende dieses von den anderen abweichende Verhalten. Hatten sie es so erlernt?

Langer Rede kurzer Sinn:

Bei einer erneuten Szene sah ich Kinder in einem Innenhof am Spielen auf dem Boden sitzen. Ein Dreirad stand ungenutzt neben ihnen. Eine – wie ich später erfuhr – nicht dort wohnhafte ältere türkische Dame plauderte fröhlich auf ihr Enkelkind ein, das sie an der Hand auf die Gruppe der sitzenden Kinder zuführte. Ach wie schön, dachte ich. Sie will sich darum kümmern, dass der Kleine mit den anderen zusammen spielen kann.

Aber dann kam’s anders:

Bei dem Grüppchen angekommen, nimmt sie das Dreirad, setzt ihren Enkel darauf und schiebt ihn strahlend davon. Die irritierten Blicke der anderen Kinder nimmt sie gar nicht wahr. Sie hat ja nur sinnvoll und besten Gewissens gehandelt. Das Dreirad stand doch ungenutzt herum. Warum nicht die Chance nutzen und dem Enkelchen eine nette Erfahrung bieten?

Wenn der Kleine dieses Verhalten in anderen Situationen unbewusst imitieren wird, wird sie enttäuscht oder gar verärgert über die anderen Kinder den Kopf schütteln, wenn sie ihm die Sachen wieder wegnehmen. Dabei wird sie sicher nicht in Erwägung ziehen, dass ihr vorgelebtes „Nehmen ohne zu fragen“ ein kleiner, aber wirkungsvoller kultureller Faux-pas gewesen sein könnte….

 

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