Gut oder nicht gut – Das ist hier die Frage

Tja, da lieg ich nach einer Geburtstagsfeier wach im Gästebett und genieße die Auswirkungen meiner Hausstaubmilben-Allergie, die sich regelmäßig bemerkbar macht, wenn ich einmal woanders übernachte als zu Hause. Während ich also so vor mich hin schniefe, kommt mir mein letzter Blog-Eintrag wieder ins Gedächtnis…

Sie sagen immer, ich solle mich an ihre Kultur anpassen. Soll ich also ins Pub gehen, mich besaufen und auf die Straße kotzen?

So habe ich zuletzt eine muslimische Inderin aus einem Zeitungsartikel zitiert, die in Großbritannien lebt und dort immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert wird, sie würde sich nicht an die lokale Kultur anpassen. Diese Worte empfand ich nicht nur lehrreich, sondern in meiner ersten unreflektierten Reaktion auch als arrogant.

Wie schon erwähnt, hier lieg ich nun wach und habe Zeit zum Nachdenken – und da kommt mir prompt Mallorca in den Sinn

Was hat Mallorca bitte schön damit zu tun!?

Ganz einfach: Oberflächlich betrachtet, denke ich bei dieser Insel spontan an Ballermann. Würden meine Freunde mir sagen „Werde mal lockerer, mach mit uns einen Ballermann-Urlaub. Das wird dir guttun“, dann würde sich das für mich anhören, als würden sie sagen: „Du bist uns zu verkrampft, so passt Du nicht zu uns.“

Ich trinke gerne Alkohol, durchaus auch mal etwas zu viel, aber doch immer nur in dem Maß, dass ich mich noch unter Kontrolle habe. Und diese Kontrolliertheit empfinde ich nicht als Hürde, die man überwinden muss, um wahrhaft locker zu werden. Im Gegenteil, ich bin stolz auf sie und will sie mir auf immer und ewig erhalten.

Ich tanze und singe gerne, aber die Vorstellung nächtelang in Pseudotempeln herumhüpfen und bei irgendwelchen saudummen Liedern mitgrölen zu müssen, ist eine Horrorvorstellung für mich. Da würde ich tatsächlich lieber alleine im Hotelzimmer sitzen. Immerhin bin ich alt und damit reif genug, dass ich in Schimpfwörter wie Spießer oder Moralapostel auch positive Kritik hineininterpretieren kann.

Am Strand mal auf ein unbequemes Oberteil zu verzichten, ist durchaus sinnvoll, aber „oben ohne“ in einer Bar zu sitzen ist für mein Empfinden absolut unangebracht – und ich fühl mich mit dieser Einstellung nicht spießig, sondern eher, naja, wie soll ich das jetzt am besten ausdrücken… „kultiviert“ passt wohl ganz gut.

Ein charmantes Wort hier und da oder auch mal ein anerkennenden Blick vom anderen Geschlecht finde ich durchaus angenehm, aber Fremdschmusen oder gar -gehen ist für mich ein absolutes No-Go.

Langer Rede kurzer Sinn:

Ich würde an meinen Freunden zweifeln, wenn sie nicht wüssten, dass ein derartiger Urlaub für mich eher eine Qual als eine Bereicherung wäre.

Wie geht es wohl Menschen in unserem Land, die aufgrund ihrer Religion, ihrer Erziehung und ihrer Moralvorstellungen nicht erst im Rausch, sondern bereits im ersten Tropfen Alkohol nur den Suff sehen? Wie fühlen sich diejenigen, die nicht erst „oben ohne“ in der Urlaubsbar als unangebrachte Nacktheit empfinden, sondern sich bereits im Alltag mit persönlich wahrgenommenen „Grenzüberschreitungen“ bekleidungstechnischer Art konfrontiert sehen? Kann es sein, dass Menschen das Bedürfnis haben, sich vor den Blicken anderer zu schützen, wenn für ihr Empfinden bereits ein Blick in die Kategorie Ansexen fällt?

Dürfen auch sie irritiert darüber sein, wenn ihr Umfeld ihnen etwas „Gutes“ tun will, das sie aber gar nicht als Bereicherung empfinden? Wenn ich mir das Recht nehmen darf, gewisse Dinge nicht mitzumachen, die andere als gut empfinden, dürfen das dann andere auch?

 

 

 

 

 

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